30.5.2021, pb

Die Akteure des Verfahrens:

Ein Hersteller von Stromzählern in Aachen: klagt auf Unzulässigkeit von Verordnungen des BSI

Verwaltungsgericht Köln, Aktenzeichen 9/K3784-20

Oberverwaltungsgericht Münster, Aktenzeichen 21B 1162/20

weitere 50 Beschwerdeführer haben ähnliche Verfahren wie dieses in Münster angestrengt

BSI Bundesamt für Informationssicherheit erließ eine Allgemeinverfügung, um gesetzliche Verpflichtungen zu regeln und ist Beklagte Partei.

Zugrundeliegende Gesetze etc.:

MsbG Messstellenbetriebs-Gesetz vom 29.8.2016

Technische Richtlinie TR-03109-1 des BSI über die Eigenschaften von Smart-Metern

Markterklärung: Allgemeinverfügung des BSI über die Feststellung der Verfügbarkeit von mindestens 3 zertifizierten Smart-Metern von verschiedenen Herstellern und die daraus folgende Pflicht zum Einbau bei den Messstellenbetreibern und Verbrauchern von elektrischem Strom sowie die Pflicht zur Duldung des Einbaus dieser Geräte

Der Sachverhalt

Der Gesetzgeber will eine moderne, bedarfsorientierte und leicht durch die Elektrizitätsproduzenten steuerbare Versorgung aus regenerierbaren Quellen, wie zB Windrädern, sicherstellen. Dazu wurde unter anderem das Messstellenbetriebsgesetz erlassen.

Die Umsetzung des Gesetzes wurde dem Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik übertragen. Diese Behörde sollte die nötigen TR = Technischen Richtlinien vorbereiten, veröffentlichen und unter anderem einem besonderen Gremium, dem Ausschuss für Gateway-Standardisierung, vorlegen.

Leider hat das BSI nach der Feststellung des OVG Münster versäumt, dieses Gremium (eine Art Normungsausschuss mit Vertretern der einschlägigen Industrien) überhaupt einzurichten. Ausserdem moniert das OVG Münster, dass die technischen Anforderungen in der zugehörigen technischen Richtlinie geringer sind, als im MsbG gefordert. Damit hat das BSI seine Kompetenzen überschritten.

Es scheint auch so zu sein, dass der Gesetzgeber technische Anforderungen ins Gesetz geschrieben hat, die nicht erfüllt werden können.

Die Entscheidung des OVG

Sie betrifft vorerst nur die Verfahrensbeteiligten und ist vorläufig, weil es sich um ein Eilverfahren für den Schutz der Rechte des Klägers aus Aachen handelt. In der Hauptsache muß das Verwaltungsgericht Köln die Sache noch entscheiden.

Wegen der allgemeinen Bedeutung dieses Rechtsstreits für alle Anbieter und Nutzer von Stromzählern ist aber damit zu rechnen, dass damit die Pflicht zum Einbau von Smart-Metern als Stromzähler erst einmal ausgesetzt ist.

Die Kläger und die Menschen, die sowieso große Vorbehalte gegen Smart-Meter haben, werden damit vorerst zufrieden sein. Bis die Gerichte endgültig entscheiden, wird es noch einige Jahre dauern.

Kommentar:

Augenscheinlich hat der Gesetzgeber auch hier, wie schon bei der Abgasregelung für PKW, unrealistische, technisch und physikalisch nicht erreichbare Anforderungen in das MsbG geschrieben und das BSI hat aufgrund technischer Erkenntnisse die Anforderungen auf ein realistisches Maß zurückgenommen. Das durfte es nicht und jetzt dürfen die Smart-Meter vorerst nicht (ohne Klagerisiko seitens der Verbraucher und konkurrierenden Hersteller) eingebaut werden. Somit fehlt in der Umsetzung der Energiewende wiederum ein wichtiger Baustein, wie zuvor bei den Transportleitungen für den Windstrom aus Offshore-Anlagen.

Unsere Regierenden und deren Berater wollen halt viel, aber sie tun oft nicht dass Richtige, um ihre Pläne zielführend umzusetzen. Und es soll natürlich geringe Kosten verursachen, da kann man schon mal auf ein Normungsgremium verzichten und bei der sorgfältigen technischen Vorarbeit vielleicht ein wenig schlampern.

Nur dumm, dass dass der Klagende das bemerkt und das OVG Münster es vorerst auch als möglich eingeordnet hat.

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Der Text der Original-Pressemitteilung des OVG Münster, ca. 3800 Zeichen incl. Leerzeichen, offenbar ohne Urheberrechtsschutz

Oberverwaltungsgericht stoppt vorläufig Einbauverpflichtung für intelligente Messsysteme (Stromzähler)

05. März 2021

Das Oberverwaltungsgericht hat mit heute bekannt gegebenem Eilbeschluss vom 4. März 2021 die Vollziehung einer Allgemeinverfügung des Bundesamtes für die Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) mit Sitz in Bonn ausgesetzt. Mit dieser Allgemeinverfügung hat das BSI festgestellt, dass es technisch möglich ist, Messstellen für Stromverbrauch und -erzeugung mit intelligenten Messsystemen (Smart-Meter-Gateways) auszurüsten. Diese Feststellung beruht auf der Annahme, dass inzwischen auf dem Markt bestimmte, von verschiedenen Herstellern entwickelte intelligente Messsysteme verfügbar sind, die den gesetzlichen Anforderungen in Bezug auf Sicherheit und Interoperabilität (Funktionalität) genügen. Die Feststellung der technischen Möglichkeit löste bundesweit zum einen für Messstellenbetreiber (insbesondere Stadtwerke) die Pflicht aus, ihre Messstellen innerhalb gewisser Zeiträume mit diesen intelligenten Messsystemen auszurüsten. Zum anderen bewirkte die Feststellung faktisch ein Verwendungsverbot für andere Messsysteme.

Nunmehr hat das Oberverwaltungsgericht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren auf die Beschwerde eines privaten Unternehmens aus Aachen, das auch andere Messsysteme vertreibt, die Vollziehung der Allgemeinverfügung ausgesetzt. Das hat zur Folge, dass nun vorläufig weiterhin andere Messsysteme eingebaut werden dürfen. Bereits – möglicherweise auch in Privathaushalten – verbaute intelligente Messsysteme müssen nicht ausgetauscht werden.

Zur Begründung hat der 21. Senat im Wesentlichen ausgeführt: Die Allgemeinverfügung mit der Feststellung der technischen Möglichkeit der Ausrüstung von Messstellen mit intelligenten Messsystemen sei voraussichtlich rechtswidrig. Die am Markt verfügbaren intelligenten Messsysteme genügten nicht den gesetzlichen Anforderungen. Sie seien hinsichtlich der Erfüllung der im Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) und in Technischen Richtlinien normierten Interoperabilitätsanforderungen nicht, wie gesetzlich vorgeschrieben, zertifiziert. Diese Messsysteme könnten auch nicht zertifiziert werden, weil sie die Interoperabilitätsanforderungen nicht erfüllten. Dass sie den Anforderungen der Anlage VII der Technischen Richtlinie TR-03109-1 des BSI genügten, reiche nicht. Die Anlage VII sei nicht formell ordnungsgemäß zustande gekommen, weil die vorgeschriebene Anhörung des Ausschusses für Gateway-Standardisierung nicht erfolgt sei. Die Anlage VII sei auch materiell rechtswidrig, weil sie hinsichtlich der Interoperabilitätsanforderungen hinter den gesetzlich normierten Mindestanforderungen zurückbleibe. Bestimmte Funktionalitäten, die intelligente Messsysteme nach dem Messstellenbetriebsgesetz zwingend erfüllen müssten, sehe die Anlage VII nicht vor. Dies habe unter anderem zur Konsequenz, dass Betreiber von Stromerzeugungsanlagen, die nach dem Gesetz mit intelligenten Messsystemen auszurüsten seien, nicht ausgestattet werden könnten. Die dem BSI zustehende Kompetenz, Technische Richtlinien entsprechend dem technischen Fortschritt abzuändern, gehe nicht so weit, dadurch gesetzlich festgelegte Mindestanforderungen zu unterschreiten. Seien die dortigen Mindestanforderungen nicht erfüllbar, müsse der Gesetzgeber tätig werden.

Der Beschluss des 21. Senats ist unanfechtbar. Das Hauptsacheverfahren (Klage gegen die Allgemeinverfügung) ist noch beim Verwaltungsgericht Köln unter dem Aktenzeichen 9 K 3784/20 anhängig. Zudem sind beim 21. Senat noch etwa 50 gleich gelagerte Beschwerdeverfahren von Messstellenbetreibern (insbesondere Stadtwerken) anhängig, in denen der Senat in Kürze entscheiden wird.

Aktenzeichen: 21 B 1162/20 (I. Instanz: VG Köln 9 L 663/20)

Von Petra